London: Das Spring in London ist meinem Lieblingsplatz in Wien – dem Salonplafond im MAK – atmosphärisch nicht unähnlich. In den historischen Gemäuern des Somerset House am Ufer der Themse befindet sich seit einigen Jahren das Top-Restaurant von Skye Gyngell. Nachhaltigkeit ist ein Thema, das Skye Gyngell in vielerlei Facetten beschäftigt und sie lösungsorientiert anfasst und umsetzt. Sie hat sich in vielen Jahren an der Spitze britischer Chefs eine unverwechselbare saisonale, elegante Küche angeeignet, deren Gerichte sich an dem orientieren, was um sie herum wächst und gedeiht. Viele Bio-Zutaten kommen heute aus dem 400 Hektar großen Landsitz mit Luxushotel „Heckfield Place“ in Hampshire westlich von London. Auch dort ist sie für die Küche verantwortlich.

Bewusstsein gegen Food Waste und plastikfrei

Besonders inspirierend finde ich ihren Zugang zum Thema Food Waste und wie man, auf elegante Art und Weise, dafür Bewusstsein schafft und Aufmerksamkeit erregt.  

Als „Nipples“ hatten wir im Frühling erntefrische, kleine Radieschen inklusive dem zarten Grün serviert bekommen. Dazu wurde ganz unauffällig vom Service ein kleines Kärtchen mit an den Tisch gelegt. Darauf wurde hingewiesen, dass Radieschen inklusive allem genießbar sind, dass es gesund sei und gleichzeitig Küchenabfall vermeidet. Der Effekt war klar erkennbar – kaum jemand im Raum hat das Radieschen nicht ohne Grün gegessen.

Scratch – das Menü aus „Küchenabfällen“

Von Dienstag bis Samstag wird zwischen 17.30 Uhr und 18.30 Uhr ein 3-gängiges Food-Waste Menü an max. 30 Gäste zu einem sehr günstigen Preis serviert.

Unser Ziel bei diesem Menü ist es, ein leckeres, nahrhaftes Essen mit Zutaten, die oft übersehen werden, zu einem fairen und angemessenen Preis anzubieten. Das schafft nicht nur Bewusstsein im verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln, es bietet auch einen günstigen niederschwelligen Zugang in die Top-Gastronomie. 

Sie erklärt dazu, dass die Gerichte im Wesentlichen aus „Abfall“-Produkten zubereitet – 40 % aller in Großbritannien angebauten Obst- und Gemüsesorten werden weggeworfen, bevor sie in die Regale der Geschäfte gelangen, weil sie als hässlich, unförmig, zu groß oder zu klein angesehen werden oder einfach hier und da ein Loch haben. –  Und das in einem Land, das ohnehin nur maximal die Hälfte seines Gemüses selbst produzieren kann. Mit dem Scratch-Menü will Skye Gyngell und ihr Team die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass alle diese Produkte trotz ihres Aussehens wirklich köstlich sind und dass Lebensmittelverschwendung ein wichtiges Thema ist. 

Studien zur Folge werden 1/3 der weltweit angebauten oder hergestellten Lebensmittel weggeworfen – das würde reichen, um 870 Millionen Menschen zu ernähren! Im Scratch Menü werden einerseits die „Abfälle“ – also die Abschnitte der Produkte, die für das A la Carte Menü nicht gebraucht werden, verarbeitet, aber auch gerne mal das Brot vom Vortag zu einem köstlichen Brotauflauf als Dessert verarbeitet. Aus Resten von hausgemachten Nudeln werden Mac and Cheese und Gemüseabschnitte landen in herrlich duftenden Suppen. Täglich wird das verwendet, was zur Hand ist. Das Menü kann verständlicherweise auf keine Unverträglichkeiten oder Einschränkungen Rücksicht nehmen, aber das steht hier auch nicht im Fokus. 

Plastikfrei in Küche und Restaurant

Nach dem großen Erfolg des Scratch-Menüs hat sich Syky Gyngell dann ab 2018 mit dem Thema Einwegplastik in der Küche und im Restaurant befasst. Folien, Strohhalme und diverse Einwegbehältnisse aus Plastik wurden eliminiert. Die britische Presse zeichnet die innovative Küchenchefin immer wieder mit Awards aus – es bleibt zu wünschen, dass ihre Nachhaltigkeitsinitiativen viele Nachahmer:innen finden. 

Spring, Somerset House, New Wing, Lancaster Place, London, WC2R 1LA; https://springrestaurant.co.uk

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