Welch ach so witziger Werbespruch, wenn es nicht traurige Wahrheit wäre, dass die sogenannte ‘Produktion’ von Hühnerfleisch eine der tierverachtendsten Industrien ist. McDonalds bemüht sich zwar in vielen Bereichen (Rindfleisch, Kartoffeln und Salat z.B.) ein Zeichen zu setzen und österreichische Waren aus kontrollierter Produktion zu verarbeiten – aber bei Huhn kann nicht einmal die konventionelle österreichische Landwirtschaft zu den gewünschten Kosten oder den benötigten Mengen mithalten (von Bio oder nachhaltig wollen wir gar nicht reden). Und da es offenbar dann eh schon egal ist, und Hühner sowieso nichts Wert sein dürfen, schmeißen wir sie nochmals günstiger als Aktionsware am Markt – mit einem doppeldeutigen verachtenden Werbespruch.
Der Bedarf an Hühnerfleisch wächst jährlich im 2-stelligen Bereich. Wie das geht, will keiner sehen. Der Beitrag der Stadtzeitung Falter (http://www.falter.at/falter/2014/08/05/das-leben-der-huehner/) ist harmlos im Vergleich zu dem was in der Hühnerfleischproduktion weltweit abgeht. Wir Konsumenten verdrängen aber alle dieses Wissen (die Bilder der Tierfabriken kennt jeder und die erspare ich euch jetzt hier). Warum wir wegschauen, könnt ihr im nachfolgenden Video sehen. Aber eines möchte ich Euch fragen: glaubt Ihr wirklich, man kann ein Huhn langsam gewachsen und gut gefüttert, mit genügend Auslauf und Frischluft aufwachsen lassen, wenn es nur € 2,00 für den Bauern dafür gibt? Wann ist uns Essen wieder etwas Wert? Wann hören wir auf, elend aufgewachsenes Tierfleisch in uns rein zu stopfen? Wann strafen wir solche Aktionen endlich durch Ignoranz und nicht Kauf?
Super Birgit,
dieser ekelhafte Slogan ist mir vor ein paar Tagen auch auf den Magen geschlagen!
Man denkt sofort an die Hühner-Kz’s und damit dürfte der Appetit eigentlich dahin sein…
Ist er denn dahin, der Appetit? Die dritte “Geheimwaffe” ist in der Tat dich mächtigste. Über 90 % der Gastrosoph/innen, die ich kenne, essen weiterhin Fleisch – weil es halt so “lecker” ist …
Meine gastrosophische Empfehlung dazu zitiere ich gerne aus meiner Arbeit: “… als eine, nicht zu unterschätzende Aufgabe der Gastrosophie, soll damit auch die Freude am Genuss erwähnt und genannt sein. Gemeinsames Kochen und Tafeln ist schon ein besonderer Genuss, aber auch die Vielfalt der Lebensmittel soll Teil dieses Genusses sein und extra erwähnt werden. Alle Argumente pro und kontra Fleischessen und tierischer Lebensmittel wurden und werden in der philosophischen und ethischen Betrachtung ausführlich diskutiert und behandelt. Es ist klar und nicht zu leugnen, dass aus streng tiermoralischer Sicht der Mensch auf den Verzehr von Tieren verzichten sollte.” Und ergänzend dazu Harald Lemke aus “Ethik des guten Essens”: „Gegenüber diesem moralisch korrekten Rigorismus respektiert eine gastrosophische Sicht unter rein kulinarischen Gesichtspunkten anthropozentrischer Geschmacksfreiheit einen minimalen Fleischgenuss, der seine Schuld am Tieropfer wenigstens durch eine »artgerechte Haltung« verantwortet, die den Nutztieren ein möglichst gutes Leben gewährt.“
Heisst für mich also “zurück zum Sonntagsbraten” bzw. Fleisch in sehr geringem Mass und nur dann, wenn ich die Bedingungen kenne. Die Menschen müssen nachdenken darüber was sie essen und wie es aufgewachsen/erzeugt/produziert wurde – egal ob Tier oder Pflanze.
Ja wenn Sankt Lemke das so sagt, dann ist das mit dem Fleischkonsum natürlich “abgesegnet” …
Also ich weiß nicht: Wenn diese Argumentation stichhaltig sein soll, dann kann man auch ein “bisschen” Steuerhinterziehung, ein “bisschen” Ausbeutung, ein “bisschen” Unterdrückung, ein “bisschen” Vergewaltigung … rechtfertigen. Für mich ist Harald Lemke in diesem Punkt einfach inkonsequent. Auch wenn man die Bedingungen kennt, bleibt noch immer die Frage, ob es überhaupt “artgerechte” Tierhaltung gibt – und die noch grundsätzlichere Frage, ob es überhaupt legitim ist, Tiere zu essen. Die Antwort auf diese Grundsatzfrage ist für mich persönlich offen, weil ich keine Basis, keinen Maßstab kenne, sie verbindlich beantworten zu können. Daraus habe ich für mich persönlich die Konsequenz abgeleitet, dass ich kein Fleisch mehr esse bis ich eine tragfähige Begründung für die prinzipielle Legitimität des Fleischkonsums gefunden habe. Aber natürlich kann man aus dieser Aporie auch die Konsequenz ableiten, dass man weiter Fleisch isst, bis die prinzipielle Illegitimität nachgewiesen ist. Philosophische Letztbegründung stößt wie üblich an ihre Grenzen und es bleibt mit Wittgenstein die grund-lose Feststellung: “So handle ich eben.”
Im Rahmen der bisherigen Gastrosophie-Lehrgänge und bei sonstigen Gastrosophie-Veranstaltungen ist mir auf alle Fälle aufgefallen, dass die weit überwiegende Mehrheit (über 90 %) der (angehenden) Gastrosoph/innen bei JEDER Mahlzeit, in JEDEM Lokal Fleisch konsumiert haben. Da ging es ausschließlich um den kulinarischen Genuss, andere Aspekte fielen mal eben unter den Tisch – ganz im Sinne der Macht der “dritten Geheimwaffe”.
Von daher bin ich der Überzeugung, dass die Frage des Fleischkonsums sehr wohl Indikator einer glaubwürdigen gastrosophischen Lebensform ist – sofern man nicht unter “Gastrosoph” wie Josef Kreilmeier versteht, dass man halt ein “gscheiterer Feinspitz” ist …
Spannender Beitrag zur Vielfalt. Damit eröffnet sich vielleicht eine neue Linie in der Gastrosophie – Vegetarismus oder Veganismus als gastrosophische Grundhaltung wird sicherlich seine Vertreterinnen und Vertreter finden. Im Sinne der Systemwissenschaft (die Gastrosophie ja ist) “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile” sind die Gastrosophen offen für alle Strömungen und Erkenntnisse der Esskultur und dokumentieren, sammeln und bündeln sie zu einem breiten Wissensangebot. Als Anhänger der Aufklärung glaube ich an die Lernfähigkeit der Spezies Mensch – mein Motto lautet daher Aufklärung, Beobachtung und Information in der Gesellschaft. Aber der philosophische Diskurs „was der Menschen essen soll oder darf“ stößt tatsächlich auch in der Gastrosophie an seine Grenzen und bleibt offen. Jedes Lebewesen – ob Pflanze oder Tier – kann in diesem Zusammenhang hinterfragt werden. Womit wir uns wohl – passend zum Ursprung dieser Diskussion – in der klassischen „Henne-Ei-Situation“ befinden.